Psychische/r Gewalt/Missbrauch - Meine Geschichte? Nein..mein Leben!

Bei den Themen Gewalt und Missbrauch gegenüber Kindern und Jugendlichen fallen uns oftmals sexuelle Übergriffe, sexueller Missbrauch und auch körperliche Gewalt ein.

 

Schlimm genug - denken wir uns. Äußerliche und innerliche Wunden die oft niemals verheilen oder nur schwer erträglich durch das ganze Leben getragen werden.  Die Auswirkungen und die Beschränkungen für ein glückliches Leben sind die Ergebnisse solcher schrecklichen Erfahungen. Die Bilder, die sich im Unterbewußtsein verankern, wie ein Horrofilm immer und immer wieder abrufbar. Es bedeutet harte Arbeit und viel Verständnis und Zugewandheit um sich in der Welt einen Platz zu schaffen, wo Leichtigkeit und gelebte schöne Sexualität ihren berechtigten Wert haben.

 

Im Alter von 0 - ca. 6 Jahren erleben wir Menschen den schönsten Zustand der emotionalen Bindung. Das ist die Zeit, wo wir unsere Eltern bedingungslos lieben. Es ist den Kindern völlig egal welchen gesellschaftlichen Stand die Eltern haben, wie und wo sie leben...wir nehmen sie an wie sie sind. Wir schenken ihnen unsere Liebe. Wir wissen noch nichts über all das, was für Erwachsene wichtig ist, welche Regeln eingehalten werden müssen, wie man sich biegen und verbiegen lassen muss und vieles mehr. Wir geben ihnen unsere Liebe, blicken zu ihnen auf und suchen ihre Nähe und Fürsorge. Und für all das stellen wir keine Bedingungen oder Forderungen. Wir tun es einfach. Das ganz entwickelt sich mehr und mehr dazu, dass wir unsere Eltern als Vorbild sehen und so annehmen. Wir schminken uns wie die Mama, wir immitieren die Rituale und Geflogenheiten und sehnen uns nach Anerkennung. In dieser Zeit sind wir sehr empathisch. Wir achten peinlichst darauf wie die Eltern auf uns reagieren, wie sie mit uns umgehen, wie wir gesehen werden.

 

Eine Geschichte (verkürzt) - meine Geschichte

 

Ich war 5 Jahre alt. Es gab weder vorher noch danach für "Übertretungen", die sehr selten waren ("braver Junge"), körperliche Strafen. Ich liebte meine Eltern. Ich kaufte mir Kaugummizigaretten um meinen Vater zu imitieren, ich achtete brav darauf ältere Menschen zuerst zu grüßen und mich mit den schönen Sachen nicht dreckig zu machen. Ich wollte ein guter Junge sein.

Wenn meine Mutter böse auf mich war, dann schrie sie nie. Sie hat mich nie geschlagen, sie zeigte mir ein enttäuschtes Gesicht, drehte sich um und ging von mir weg. Ich fühlte regelrecht ihre Enttäuschung, sie entzog mir ihre Zuneigung...auch wenn dies nie lange anhielt, so spüre ich heute noch einen innerlichen Schmerz und das Bild des Gesichts meiner Mutter.

 

Ich achtete noch peinlicher darauf keine Fehler mehr zu machen. Schon nach dem Aufstehen waren meine ersten Gedanken, wie bekomme ich den Tag ohne Fehler hin. Als ich schon mit Ende  5 in die Schule kam, hatte ich jedesmal vor einer Klassenarbeit Angst. In den ersten Jahren nicht mit dem Hintergrund Gedanken zu entwickeln das dies zu einem schulischen Problem werden könnte, nein, einzig und allein Angst vor dem enttäuschten Gesicht meiner Mutter wenn sie die Klassenarbeit unterschreiben musste.

 

Ich war der kleinste...ich war dick.

 

In der Klasse wurde ich gehänselt (heute würde man mobbing sagen) und beim Sport versagte ich, auch wenn ich mir die allergrößte Mühe gab. Dies war für meinen Vater schlimmer als eine biblische Plage. Er, der große Fussballstar unserer Gemeinde, hat einen sportlichen Totalversager zum Sohn. Jeden Sonntag ging er zum Frühschoppen und musste sich anhören das es ja nun mal gar keinen Wert hat so einen Sohn zu haben. Die Söhne seiner "Freunde" allesamt schon fussballspielend und ausgerechnet der Sohn des größten "Stars" war kaum in der Lage zwei Schritte geradeaus zu machen...

 

Sonntag...der schlimmste Tag der Woche. Mittagessen..."na du fettes Schwein, musst du dir noch ein Stück Braten nehmen? und dann noch Pudding? Du platzt ja bald..."

 

So in etwa lief die familiäre Kommunikation...Sonntag...mittag.... Mutter? Sitzt schweigend da, hört sich das an und schaut zur Seite. Sagt nichts...ist stumm...räumt schnell ab...tischt auf.

 

Ich kämpfe mit den Tränen...ich rieche den Bieratem. Ich wage es nicht aufzuschauen. Nein...weinen will ich nicht, darf ich ja auch nicht. Muss sitzen bleiben...du stehst auf wenn alle fertig sind!

 

Gehe auf mein Zimmer, lege mich aufs Bett und weine. Mutter kommt, setzt sich dazu (Vater macht Nickerchen), sagt nichts, streichelt meinen Kopf. Kein Trost für mich. Ich bin nicht böse auf meinen Vater. Ich verstehe ihn. Ich tauge zu nix. Lieber eine 5 in Mathe als eine 4 in Sport. IN SPORT!!!!!! Totaler Versager! Ich enttäusche ihn immer und überall. Keine Anerkennung, null Zuwendung, keine Unterhaltung...

 

Er will mich nicht, ich bin verkehrt!

 

Nachmittags Besuch von Verwandtschaft. Gehe über den Flur und höre ihn mit meinem Onkel sprechen.

"Ach Mist, das man seine Kinder nicht umtauschen kann".

 

Ich spüre den Schlag ins Gesicht, den Stich in Herz und wie sich der Magen umdrehte heute noch.

 

"Der liebe Gott liebt alle Kinder!"

Ich ging zum Kommunionsunterricht. Wir hatten einen tollen Pfarrer und ich fühlte mich in der Kirche wohl und geborgen. Aufgehoben, gewollt. Aha, der liebe Gott liebt alle Kinder. Mein Papa will mich nicht, meine Mutter schützt mich nicht...also bin ich hier echt falsch. ICH WILL ZUM LIEBEN GOTT!

 

Ich erlöse meine Eltern von meinem Dasein und vielleicht kann ich mich im Himmel wohl fühlen, denn da wohnt ja der liebe Gott. Wie da hinkommen??? Nun, wir haben ja gelernt, das man in den Himmel kommt wenn man tot ist.

Ok, also muss ich tot sein. Dann fahre ich automatisch hoch, bekomme tolle Flügel und kann spielen und fröhlich sein...dort...beim lieben Gott.

 

Opa hat im Garten, unter einer Trauerweide, einen riesen Bottich stehen. Ich spielte angeln. Die Blätter der Weide sahen aus wie kleine Fische. Ich sah auf den Wasserspiegel, ich blickte nach oben in den Himmel...ich lächelte...ich ließ mich fallen!

 

Mein Opa muss auf der Terrasse alles beobachtet haben...ich spürte nichts. Mir ging es gut. Ich merkte nur wie ein starker Arm mich umfasste und ich wenig später abgetrocknet und in einer ganz dicken, daunengefütterten Bettdecke bei Oma im Bett lag.

 

Der Junge ist beim spielen ins Wasser gefallen!

 

Ja...das redete sich meine Familie ein, wie sollte sie es auch anders wissen. Ich selbst habe erst im Alter von 50 Jahren all das verarbeitet und so zugelassen wie es wirklich war.

 

Meine Mutter glaubt heute noch das es so war....

 

Nun, es kamen noch viele ähnliche Episoden. Es gab noch viele Kränkungen. Das Gefühl zu versagen oder ein Versager zu sein blieb fast ein ganzes Leben. Was sich daraus entwickelte, war immer das Bestreben gut sein zu wollen...nein...besser als die anderen. Narzissmus in Perfektion. Depressionen und immer mit dem Gefühl leben zu müssen, ich bin trotz vieler Erfolge ein Versager, muss noch mehr leisten und zeigen das ich gut bin. Nicht einmal mit mir selbst zufrieden zu sein, irgendwann nicht mehr eine Belobigung zu hören - hören zu wollen - hören zu können. Ihr lügt ja alle...100% Erfüllung? Da erreiche ich ja nur das was - mindestens - erreicht werden soll. Also 110%, dann stellt sich Erleichterung ein vielleicht doch richtig auf dieser Welt zu sein.

 

Jeder hat seine Geschichte. Dies ist ein Teil der meinen. Vieles ist passiert worauf ich heute mit Abstand blicken kann. Zuerst mit Scham, später mit Verständnis und zu guter Letzt mit Achtsamkeit, Akzeptanz und Authensität.

 

Es war harte Arbeit mit mir selbst und ich arbeite weiter daran. Ich weiß was, wie und warum passiert. Heute sind diese Erfahrungen viel wert wenn ich mit meinen Klienten arbeite. Emphatie, Verständnis und verstehen (ist schon ein Unterschied) und das erlebte und erlernte Wissen helfen mir heute in der Arbeit.

 

Psychische Gewalt und Missbrauch ist ein Arschloch!

 

Herzlichst

Euer

Frank Oleschko

 

P.S. Rechtschreibung und Satzbau bitte nicht bewerten..lächel. Ich schreibe und speichere. Dies gehört zu meiner Eigentherapie nicht mehr perfekt sein zu müssen.

 

 

 

 

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Kommentare: 8
  • #1

    Melanie (Montag, 26 Februar 2018 20:37)

    Dachte ich lese meine eigene Geschichte, nur dass die körperliche Gewalt fehlt . Lebe noch immer mit dem Titel ' das fette Arschlochkind das nichts kann " und leider glaube ich es noch immer selber . Nicht gut genug zu sein -für niemanden

  • #2

    Jasmin (Montag, 26 Februar 2018 21:55)

    Wow ich ziehe meinen Hut denn ich lerne auch gerade einiges was du durch gemacht hast zu akzeptieren!

  • #3

    Irene (Donnerstag, 01 März 2018 19:59)

    Danke für diesen Beitrag.....hab mich in vielen Passagen gesehen...macht auch wieder Mut die eigene Geschichte weiter zu verarbeiten

  • #4

    Stefaniie (Freitag, 02 März 2018 21:19)

    Als ich diesen Eintrag zu Ende gelesen hatte dachte ich uff. Auch ich finde mich in einigen Passagen wieder.

    Ich kann mich den vorherigen Kommentatorinnen nur anschliessen. Dieser Eintrag macht Mut sich weiter mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen.

    Was ich auch erwähnenswert finde ist, dass Sie auf den Unterschied zwischen Verständnis und Verstehen hinweisen.

    Vielen Dank dafür.

  • #5

    Bird (Montag, 05 März 2018 11:32)

    Hallo Frank, habe ich mit großem Interesse gelesen und bin davon überzeugt, dass Du sehr gut beschreibst, was Kindern psychisch angetan wird. Ich bin jetzt schon 62 Jahre alt und arbeite immer noch (mit professioneller Hilfe) an dem 110-Prozent-Syndrom. Ergebnis : Ich mache vor lauter Depressionen garnichts mehr, bin frühberentet und warte auf bessere Zeiten. Da kann ich lange warten, ich weiss. Aber so ist es. Habe oft versucht die psychischen Vergewaltigungen durch meine Eltern, Lehrer und Konsorten zu Papier zu bringen. Es geht nicht - wenn ich an Einzelheiten nur denke, komm ich tief in depressive Phasen. Deshalb hier allen Betroffenen, die sich daran machen "Aufzuräumen" hier ausdrücklich meinen Respekt! Für mich gilt in Rückspracehe mit Therapeuten und Psychiater : Es gibt Dinge, die lohnt es auzuarbeiten, es gibt Dinge, die können oder sollen auch ruhen. Retraumatisierung ist auch nicht lustig.
    Euch allen viel Glück und Kraft. Danke für den Beitrag Frank

  • #6

    Sabine (Mittwoch, 17 Juni 2020 10:50)

    Ich habe mich wiedererkannt. Ich war immer der "Bastard" (unehelich, Stiefvater schwerer Alkoholiker), die faule Sau und die dumme Kuh. Freunde von mir nannte er nur "Deine Kunden" ... Erst später begriff ich, wie er das meinte.
    Demütigungen (Prügel vor fremden Leuten), immer das Gefühl, nicht dazuzugehören (noch eine Halbschwester).
    Es folgte eine Ehe, in der mein Ex Ersatzstiefvater war, nur noch schlimmer. Grauenhaft, ich kenne sämtliche Frauenhäuser in Hessen. Ich begriff, dass ich mir unbewusst diesen Partner "erwählt" habe. Der erste Schritt in die richtige Richtung.
    Aber noch heute kämpfe ich mit Unsicherheit (Start-up in die Selbstständigkeit), habe regelrecht Angst, dass ich "nicht" genüge und Angst davor, dass ich mich selbst enttäusche. Dass sich die Vorwürfe meines Stiefvaters bestätigen. Ich höre den im Jenseits hämisch lachen.
    Mutter immer offiziell auf meiner Seite, abends im Bett bekam ich mit, wie sie sich über mich beklagte, petzte, was ich angestellt habe.
    Von Mutter verraten. Ich litt extrem. Mit 16 zog ich zu dem erstbesten Mann, den ich kriegen konnte. Flucht. Flucht in ein neues Desaster.
    Heute bin ich gereifter, sicherer. Habe drei wundervolle Kinder und den Beweis, dass Familie auch liebevoll geht. In Therapie war ich nicht und heute erkenne ich, dass ich eine wirklich super gute Freundin habe, mich selbst.
    Ich danke Ihnen, dass Sie mich wieder daran erinnert haben: Du bist okay :) <3


  • #7

    Suhela Ekin (Montag, 01 Februar 2021 03:27)

    Als ich mir das durchgelesen habe , habe ich mich im Spiegel wieder gesehen . Mir Kullern die Tränen im Gesicht.
    Da fehlte nur noch die Körperliche Gewalt die ich sehr früh im Kindheit kennengelernt habe . Auch im Erwachsenen Alter ist dies sehr oft Vorgekommen. Erstmal Eltern dann vom Mann ... Ich habe eins gelernt , wenn ich auf gegeben hätte dann wäre ich davon befreit . Aber mir fehlte dieser Mut dazu , seitdem Kämpfe ich ,mir gehen langsam meine Reserven aus Aber ich kann nicht anders , ich bin Mutter habe 3 Kinder .
    Ich tu es für die Kinder , weil ich nicht möchte das ihr Leben daran scheitert . Ich bleibe da für sie bis sie das gewisse Alter erreicht haben .
    Ich wünsche all den Menschen die viel durchmachen mussten ganz viel Kraft .
    Ihr seit alle toll und an den Verfasser , du bist schön so wie du bist.

  • #8

    Chris (Montag, 13 Juni 2022 14:13)

    Hallo Suhela, hoffe Du bist "meine" Suhela aus Diepholz von früher.
    Susu, bitte melde Dich bei mir falls Du das bist.
    Ich schaue hier jetzt hin und wieder nach und hoffe Du antwortest hier. Kontaktdaten kann ich jetzt leider nicht hier lassen.
    LG Chris